Fran­cisca Adhiambo

Die Mut­ter der Dorfgemeinschaft

Sie war eine der Ers­ten, die einen ener­gie­ef­fi­zi­en­ten Ofen besas­sen. Als Grup­pen­lei­te­rin einer loka­len Spar­ge­mein­schaft über­zeugt Fran­cisca andere Men­schen von den Vor­tei­len eines effi­zi­en­ten Kochers und hilft ihnen auch finan­zi­ell unab­hän­gi­ger zu werden.

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Etwa 30 Frauen und drei Män­ner sit­zen unter einem gros­sen, zu allen Sei­ten offe­nen Plas­tik­zelt. Es ist brü­tend heiss im Dörf­chen Ligega im Bezirk Ugunja. Die Gruppe sitzt auf Plas­tik­stüh­len, fast alle tra­gen Klei­dung aus bun­ten afri­ka­ni­schen Stof­fen. Man­che wedeln sich mit einem Blatt Papier Küh­lung zu. Mit­ten­drin steht Fran­sisca Adhi­ambo. Gross, volu­mi­nös, prä­sent. Sie trägt ein bun­tes luf­ti­ges Kleid und hat, wie die meis­ten hier, ein Tuch um den Kopf geschlungen.

Adhi­ambo ist die Grup­pen­lei­te­rin der Wich-Edhano-Gruppe und damit das Herz der Ver­samm­lung. Sie hat die vie­len Men­schen zusam­men­ge­bracht und sie vom Nut­zen der ener­gie­ef­fi­zi­en­ten Öfen über­zeugt. Sie war eine der Ers­ten, die einen besas­sen – eine mutige Vor­rei­te­rin. Sie hat ihre Nach­barn vom Umwelt­schutz über­zeugt, ihnen klar­ge­macht, dass nur sie selbst etwas daran ändern kön­nen, dass das Was­ser immer weni­ger wird und die Böden aus­lau­gen, dass Kenia von Dür­ren und Hun­gers­nö­ten heim­ge­sucht wird.

Kli­ma­bil­dung und Bewusst­sein wecken“ heisst das Pro­gramm von Tem­bea. „Die Men­schen brau­chen Unter­stüt­zung, viele kön­nen nicht lesen und schrei­ben, viele haben noch nie vom Kli­ma­wan­del und des­sen Ursa­chen gehört. Kaum einer hat hier Zugang zu moder­ner Tech­nik, wir müs­sen mit dem arbei­ten, was wir hier nut­zen können.“

Adhi­ambo hat bei Tem­bea gelernt, Grup­pen zu lei­ten und auch: Bäume zu pflan­zen. „Unser Zusam­men­halt ist sehr gross gewor­den, wir fors­ten auf und bauen sogar zusam­men Häu­ser! Und wir küm­mern uns gemein­sam um Wai­sen­kin­der.“ Immer neue Ideen ent­ste­hen in der Gruppe, vie­les ange­regt von Adhi­ambo und Tembea.

Doch hier wird auch anders die Zukunft gestal­tet: Die Buch­hal­te­rin der Wich Edhano ergreift das Wort und refe­riert den Stand der Finan­zen. Dann ruft Adhi­ambo die Namen der Mit­glie­der auf. Wer ohne trif­ti­gen Grund nicht da ist oder zu spät kommt, muss eine Strafe zah­len. Die Schrift­füh­re­rin sitzt an einem Tisch mit gemus­ter­ter Tisch­de­cke. Vor ihr ein Heft mit schwar­zem, fes­tem Ein­band, in dem alles genau notiert wird. Jetzt zah­len alle einen Betrag in die Grup­pen­kasse, jeder was er oder sie kann. Die Schrift­füh­re­rin notiert die ein­ge­zahlte Summe.

Auf dem Tisch ste­hen drei ver­schie­den­far­bige Plas­tik­schüs­seln: eine für Kre­dite, etwa für Schul­geld, Medi­zin oder Inves­ti­tio­nen. Eine ist für die neuen Koch­stel­len. Der Sozi­al­fonds, der wie eine Ver­si­che­rung funk­tio­niert, wird abge­ru­fen, wenn zum Bei­spiel jemand krank wird oder eine Hütte abbrennt.

Die Kas­sen­war­tin nimmt jetzt einen Sta­pel Scheine und zählt das Geld, das Publi­kum wie­der­holt laut die Zah­len. Anschlies­send tre­ten die­je­ni­gen vor, die einen Kre­dit benö­ti­gen. Jose­phine Augo erklärt, dass sie ein Ersatz­teil für ihre Mais­mühle braucht. „Ich habe mir die Mühle von einer klei­nen Abfin­dung gekauft“, erzählt sie spä­ter. „Die Ein­nah­men rei­chen für den Lebens­un­ter­halt. Aber nicht für Extra­aus­ga­ben wie Repa­ra­tu­ren. Ohne die Kre­dite der Gruppe könnte ich die Mühle nicht am Lau­fen hal­ten.“ Dank der Mikro­fi­nanz­grup­pen, den soge­nann­ten Com­mu­nity Saving and Loa­ning Groups (CSL-Grup­pen), kann sie ihrem Sohn auch ein Stu­dium in Nai­robi bezah­len. Augo muss den Kre­dit inner­halb von drei Mona­ten zurück­zah­len; wenn sie das nicht schafft, stei­gen die Zin­sen. Am Ende des Jah­res erhal­ten alle Grup­pen­mit­glie­der ihr Ein­la­gen, samt Zin­sen, zurück.

Jemand, der Ein­blick hat, sagt spä­ter, dass die CSL-Grup­pen nur funk­tio­nie­ren, weil hier fast aus­schliess­lich Frauen am Werk sind, die das Geld weder ver­trin­ken noch zu einer Pro­sti­tu­ier­ten brin­gen. Die Frauen und Män­ner hier haben kaum Bar­geld, und wenn sie davon noch etwas abge­ben, müs­sen sie Ver­trauen haben. Adhi­ambo ist die Per­so­ni­fi­zie­rung der Verlässlichkeit.

Sie selbst hat sich auch schon Geld gelie­hen und davon ihr Haus ver­schö­nert, sich eine Schrank­wand und sie­ben Ses­sel gekauft. Jetzt kön­nen ihre zahl­rei­chen Besu­cher noch bes­ser sit­zen. Aus­ser­dem ist sie Fisch­händ­le­rin gewor­den, diens­tags und frei­tags steht sie auf dem Markt der nahe­ge­le­ge­nen Stadt Ugunja. Ihre Tage sind vol­ler Arbeit: Mor­gens bestellt sie, wie alle hier, zunächst ihr Feld. Nie­mand kommt ohne eige­nen Anbau über die Runden.

Dann kocht sie für ihren Enkel, der in die dritte Klasse geht. Adhi­ambo ist eine ältere Dame. Darum hat sie schon viel erlebt: die Kolo­ni­al­zeit, die Unab­hän­gig­keit, viele Ent­wick­lungs­hel­fer. „Frü­her mochte man den Weis­sen nicht die Hand geben“, sagt sie. „Sie waren Feinde, heute ist das anders. Herz­lich will­kom­men sind sie jetzt.“ Mit klei­nen Sum­men Gros­ses errei­chen – das funk­tio­niert, wenn viele ihr Geld zusam­men­le­gen und wenn aus Europa Hilfe zur Selbst­hilfe kommt.